ARCHIVIO STORICO

della Città di Torino
 

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Die homöopathische Apotheke

 

Ein seltsames Schicksal wollte es, dass die "prachtvolle" homöopathische Apotheke, die 1862 in Turin von Pietro Arnulfi gegründet, 1876 vom "Homöopathischen Institut" übernommen, 1929 dem Italienischen Homöopathischen Krankenhaus angeschlossen und 1985 von der Stadt Turin geerbt wurde, an der Schwelle des dritten Jahrtausends im neuen Sitz des Historischen Stadtarchivs wieder eingerichtet würde. Die Geschichte dieser Apotheke ist eng verbunden mit dem wechselnden Glück, auf das die Homöopathie in Italien und insbesondere im Piemont stieß, jene alte "neue Kunst des Heilens", die auf dem "Ähnlichkeitsgesetz" gründet und im Übergang vom 18. zum 19, Jahrhundert von dem sächsischen Arzt Samuel Hahnemann (Meissen 1755 - Paris 1843) experimentell erforscht und theoretisch formuliert wurde. Die Homöopathie wurde in das Königreich der Beiden Sizilien eingeführt durch die Gunst von Francesco I. und Ferdinando II. von Bourbon, deren Willen es war, dass sie 1828 im Militärkrankenhaus Trinità in Palermo und 1837 bei der Behandlung der Epidemie der "asiatischen Krankheit" eingesetzt würde. Sie kam in den dreißiger Jahren nach Lucca und von da über Genua nach Turin, wo sie auf breiter Front bekämpft wurde. Die Vertreter der positiven Wissenschaften im Piemont sprachen ihr den Charakter der Wissenschaftlichkeit ab. Den von den offiziellen Organen vorgebrachten Vorbehalten hinsichtlich eines angeblichen Missbrauchs bei der Ausübung der "Medizin der similia" - "die Vorbereitung des größten Teils der homöopathischen Heilmittel", so bemerkte 1838 der Magistrato del Protomedicato [Ärztekollegium], der seinen Sitz in der Königlichen Universität von Turin hatte, "wird im amtlichen Arzneibuch" nicht berücksichtigt - setzte Carlo Alberto, sei es aus Neugierde oder aus Sympathie, das Prinzip des laissez faire entgegen. "Seine Hoheit", so wurde den Mitgliedern dieser Versammlung mitgeteilt, "hält es für angebracht, das homöopathische Heilverfahren erst dann zu verurteilen, wenn sich diese Methode als illusorisch oder chimärenhaft herausstellen sollte, anders gesagt, es sollte stärker hervorgehoben werden, was sie an Nützlichem enthält". Die Absicht des Königs ließ keine Zweifel offen: "Bis auf Weiteres soll hinsichtlich dieses Heilverfahrens nichts unternommen werden, sofern die behandelnden Personen zur Ausübung der Medizin oder der Chirurgie ordnungsgemäß berechtigt sind, und die Verabreichung homöopathischer Mittel soll nicht behindert werden." Freiheit war also das Stichwort, nicht uneingeschränkte Erlaubnis.
Eine gewisse Skepsis hinsichtlich der neuen "Doktrin"blieb jedoch bestehen, während das Fehlen fester Regeln nicht selten zu Unverständnis zwischen Ärzten und Apothekern führte. Die Eingaben des Kollegiums der Turiner Drogisten gegen die verbreitete Praxis der Versorgung und des direkten Verkaufs homöopathischer Heilmittel seitens der Homöopathen, die diese Mittel selbst verschrieben, drangen bis zum königlichen Hof vor. Durch die königliche Anordnung vom 9. Februar 1839 wurde den "Drogisten, die die rechtliche Genehmigung hatten, in der Hauptstadt und in den anderen Städten eine Apotheke zu leiten" die Erlaubnis erteilt, "Heilmittel homöopathischer Art getrennt von den gewöhnlichen Arzneimitteln zu führen", und der "dem Kollegium angehörende Apotheker" Domenico Blengini bekam die Erlaubnis, in Turin eine Fachapotheke zu eröffnen. Folglich wurde der Versand homöopathischer Heilmittel [...] durch die behandelnden Ärzte verboten. Durch diese und einige folgende Maßnahmen hinsichtlich der Aktivität des Ärzteverbandes und der Ausübung der hiervon abhängigen Professionen stellte der König wieder eine Ordnung in dem heiklen Bereich her, der die Gesundheit seiner Untergebenen regelte. Obwohl der Streit zwischen Allopathen und Homöopathen andauerte, rief eine Ärztevereinigung 1848 in Turin die Zeitung "Giornale di Medicina Omeopatica" [Zeitung für homöopathische Medizin]" mit einem Vorwort von Maurizio Poeti ins Leben. Diese Medizin, die sich an der Regel des "similia similibus curantur" orientierte, fand eine Reihe berühmter Anhänger wie Vincenzo Gioberti und Antonio Rosmini, fähige Chirurgen wie Lorenzo Granetti, ab 1848 Direktor des Krankenhauses Cottolengo, und erwarb immer breitere Sympathien, einschließlich die der Marchesa Giulia Falletti di Barolo. Eine zweite homöopathische Apotheke wurde in den fünziger Jahren von Vincenzo Vernetti in Via Carlo Alberto, "gegenüber dem Café Dilej", eröffnet, während die Apotheke von Blengini seit geraumer Zeit ihren Sitz im Stadtteil Santa Maria hatte. In der Zwischenzeit begannen die Vertreter der Homöopathie in Turin wie anderswo damit, Vereinigungsformen zu entwickeln, die sogar auf die Frauen ausgedehnt wurden: die Accademia e Associazione Omoepatica Taurina [Turiner homöopathische Akademie und Vereinigung] nahm 1850 Clotilde Berta Varetti unter ihren Mitgliedern auf. Während die Stadtführer eine graduelle Zunahme an "homöopathischen Ärzten und Chirurgen" verzeichnete, entstanden immer neue spezialisierte Drogerien - 1855 die von Carlo Cerruti in Stadtteil Po -, die "wie normale Apotheken regelmäßig kontrolliert wurden" und wie diese an die geltende Gebührentabelle gebunden waren.
Im Stadtteil Provvidenza (heute Via XX Settembre), "neben der Hausnummer 1" wurde 1862 die bereits oben erwähnte homöopathische Apotheke von Pietro Arnulfi eröffnet, mit einer kostbaren Inneneinrichtung "in schwarz gestrichenem Kirschbaum mit Goldbesatz", mit stilistisch strengen Regalen und dicht gedrängten Reihen von Schubladen, die zur Vermeidung von Vermischungen jeweils nur eine einzige Substanz aufnehmen duften: ein regelrechtes Arsenal von Substanzen zur Herstellung unendlich kleiner Dosen. Diese gut funktionierende Apotheke wurde 1876 in "Besitz und Leitung" vom "Homöopathischen Institut" übernommen - einer privaten Vereinigung von Ärzten, Apothekern, Tierärzten und Anhängern und Sympathisanten der "homöopathischen Ärzteschule" -, das 1882 seinen Wirkungsbereich auf ganz Italien ausdehnte. Das Italienische Homöopathische Institut, wie sich der Verein nannte, der "zu dem Zweck gegründet wurde, die homöopathische Praxis in Italien mit allen vom Gesetz erlaubten Mitteln zu fördern und auszudehnen", setzte sich anfangs zum Ziel, "in den wichtigsten Städten des Königreiches öffentliche medizinische Fürsorgestellen einzurichten, die für die Veröffentlichung einer Zeitung anfallenden Kosten zu tragen und jährlich Preise zur Förderung experimenteller und demonstrativer homöopathischer Kentnisse auszuschreiben". 1886 verordnete Umberto I., aus dem Institut eine moralische Körperschaft zu machen. Dank der unverhofft guten finanziellen Verfassung konnte im folgenden Jahr, unter der Präsidentschaft des Arztes Giuseppe Bonino, die Versammlung der "Offiziere", die die beiden Kategorien, in die die Mitglieder unterteilt waren, die "Ärzte" und die "Wohltäter", den Ankauf eines Hauses in Via Orto Botanico (heute Via Lombroso) zum Zweck der Einrichtung eines Krankenhauses beschließen, dem späteren Italienischen Homöopathischen Krankenhaus.
Das Krankenhaus, das 1890 mit nur sieben Betten ausgestattet war und das 1903 auf zweiundzwanzig vergrößert wurde, nahm in weniger als fünfzehn Jahren 473 Patienten auf. 1929 wurde ihm die ehemalige Apotheke Arnulfi angegliedert, die von ihrem ursprünglichen Sitz verlegt wurde und nun ausschließlich zur Vorbereitung der für die Patienten notwendigen homöopathischen Heilmittel bestimmt war. Die Homöopathie, die seit ihrem Bestehen wechselndem Glück ausgesetzt war, verlor jedoch innerhalb eines Jahrzehnts einen Großteil ihrer Anhänger. Das Krankenhaus wurde zu einer "Krankenstation" und schließlich zu einem kleinen "Pflegeheim" deklassiert. Die Apotheke verwahrloste; auch der Krieg verschonte das Institut nicht. Gleichwohl wurde es während des Wiederaufbaus mühevoll wieder in Betrieb genommen. 1972 wurde di historische homöopathische Apotheke, die einige für "schöner als die von London" hielten, für die Öffentlichkeit geschlossen und fiel der Vergessenheit anheim. 1985 kam sie, die sich nunmehr in einem erbärmlich Zustand befand, wieder ins Gespräch, als sich mit der Auflösung des Instituts das Problem stellte, einen neuen Eigentümer zu finden, der Willen und Interesse an seiner Sanierung und Erhaltung zeigte. Zufälliger- und glücklicherweise wurde es mit dem Ziel der Sanierung dem Historischen Stadtarchiv zugesprochen, das in jenen Jahren auf seine angekündigte Unterbringung wartete. Mit der jüngsten Fertigstellung des neuen Sitzes des Archivs in Via Barbaroux, wurde die auf angemessene Weise wieder in Stand gesetzte Apotheke endlich wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Neben den zur damaligen Zeit zur Herstellung der homöopathischen Heilmittel verwendeten Fläschen, Mörser und Stößel findet man nun auf den Regalen die über 250 übrig gebliebenen Bände aus der Fachbibliothek des Instituts: Abhandlungen aus dem 19. Jahrhundert, seltene Zeitschriften aus den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts, kostbare Handbücher, die vor dem Verfall und dem Verstreutwerden gerettet wurden und die erneut von denen, die an der "Medizin des Gleichen" und ihrer Geschichte interessiert sind, konsultiert werden können. Einen Sonderplatz erhielten natürlich einige "heilige" Texte von Samuel Hahnemann wie die Traité de Matière médicale ou de l'action pure des médicaments homoepathiques und die Doctrine et traitement homoepathique par maladies chroniques, beide Texte Übersetzungen aus dem Deutschen, herausgegeben von A.-J. Jourdan, Mitglied der Académie Royale de Médicine, und 1834 und 1846 in Paris bei Baillière veröffentlicht.

Rosanna Roccia


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